Rede im Plenum zu Antrag "Verbot des Einsatzes von Reserveantibiotika in der Tiermast"

Dritter Vizepräsident Peter Meyer: Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verbot des Einsatzes von Reserveantibiotika in der Tiermast (Drs. 17/4176)

und ...

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Steinberger.

Rosi Steinberger (GRÜNE): Wertes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Letzte Woche wurde bekannt, dass im Landkreis Cloppenburg in Niedersachsen Antibiotika im Grundwasser gefunden wurden. Es handelte sich dabei um einen Wirkstoff, der ausschließlich in der Tiermast Anwendung findet. Noch sind die Mengen sehr gering. Doch liegt der Verdacht nahe, dass es sich hier nur um die Spitze eines Eisbergs handelt und die Spuren von Antibiotika weiter in der Umwelt verbreitet sind, als wir es uns alle wünschen.

Was ist denn passiert? - In einer Gegend mit sehr großer Viehdichte wurden Antibiotika mit der Gülle auf die Felder ausgebracht. Diese wurden ausgewaschen und sind jetzt im Grundwasser gelandet. Dass Antibiotika in der Gülle vorhanden sind, ist bereits bekannt und wurde auch schon oft bewiesen. Die Auswaschung ins Grundwasser war also nur noch eine Frage der Zeit.

Übrigens wird man immer wieder mit der Aussage, Grundwasser sei nicht gleich Trinkwasser, konfrontiert. In Bayern werden 75 % des Trinkwassers aus dem Grundwasser gewonnen. Auch wir haben bereits massive Probleme mit Rückständen aus der Landwirtschaft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen im Trinkwasser weder Nitrat noch Pflanzengifte noch Antibiotika. Wie lange wollen Sie eigentlich noch zuschauen, wie unser Lebensmittel Nummer 1 langsam verseucht wird? Wie lange wollen Sie eigentlich noch so tun, als ginge uns die Industrialisierung der Landwirtschaft nichts an? Im letzten Jahr wurden deutschlandweit allein in der Tierhaltung 1.400 Tonnen Antibiotika eingesetzt. Davon wurde auch ein erklecklicher Teil in Bayern verwendet.

Im Vergleich zum Vorjahr haben wir zwar einen Rückgang um 170 Tonnen zu verzeichnen. Das ist erst einmal eine gute Nachricht. Wer nun aber glaubt, dass damit eine Kehrtwende eingeleitet worden ist, kann sich irren; denn die Abgabemenge täuscht darüber hinweg, dass es neue und bessere Antibiotika gibt, die den gleichen Effekt mit wesentlich weniger Wirkstoff erreichen. Es kann also sein, dass die gleiche Menge an Tieren behandelt worden ist, allerdings mit wesentlich geringeren Dosen und mit wesentlich geringerer Dauer.

Ein Indiz für diese Annahme liefert wieder die Statistik. Der Einsatz von hoch wirksamen Antibiotika hat nämlich im gleichen Zeitraum stark zugenommen. Mittlerweile sind es etwa 18 Tonnen, was sich vielleicht nicht so viel anhört. Aber diese 18 Tonnen sind 18 zu viel.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese hoch wirksamen Antibiotika nennt man auch Reserveantibiotika. Warum nennt man sie so? - Sie spielen eine wichtige Rolle beim Kampf gegen resistente Keime. Deshalb werden sie in der Humanmedizin nur sehr begrenzt eingesetzt, damit die Resistenzbildung erschwert wird. Schließlich sind diese Antibiotika oft die letzte Rettung, wenn alle anderen Antibiotika versagen.

Jetzt fragen viele Menschen zu Recht: Was haben diese Lebensretter in der Tiermast verloren? Ich sage es Ihnen: Gar nichts!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Richtig ist: Auch Tiere werden krank. Dann sollen sie auch behandelt werden, und wenn nötig, auch mit Antibiotika. Das ist keine Frage. Allerdings sind wir der Meinung, dass dafür genug Mittel zur Verfügung stehen. Es reicht doch nicht aus, immer nach neuen und besseren Medikamenten zu rufen. Um der zunehmenden Resistenzbildung in der Tiermast Herr zu werden, müssen wir uns auch die Haltungsbedingungen anschauen, die den Einsatz von Antibiotika immer öfter notwendig machen. Antibiotika sind das Schmiermittel der industrialisierten Tiermast.

In der Humanmedizin haben wir zunehmend Probleme mit multiresistenten Keimen, was natürlich teilweise auch durch die Humanmedizin selbst verursacht wurde. Gerade in Gegenden mit vielen Tiermastbetrieben gehen die Krankenhäuser dazu über, Patienten aus landwirtschaftlichen Betrieben auf mögliche resistente Keime zu untersuchen, und werden dabei sehr oft fündig. Diese Patienten kommen dann in Quarantäne, bis sie ohne diese Keime sind, damit sie keine Gefahr für andere Patienten darstellen. Das hat natürlich Auswirkungen auf das Gesundheitssystem. Da können wir nicht einfach zuschauen.

Eines ist jedenfalls klar: Wir müssen vom hohen Antibiotikaverbrauch runter. Deshalb wurde 2008 die nationale Antibiotikaresistenzstrategie ins Leben gerufen. Auch in Bayern gibt es ein bayerisches Aktionsbündnis. Das ist absolut richtig. Ein wichtiger Bestandteil dieser Strategie muss das Verbot von Reserveantibiotika in der Tiermast sein. Wir müssen die Mittel schützen, die uns oder unseren Kindern einmal das Leben retten können. Die WHO warnt bereits vor einem Zeitalter, in dem selbst ein entzündeter Kratzer nicht mehr zu behandeln ist. Was aber tun wir? - Wir verheizen die letzten lebensrettenden Stoffe, die uns zur Verfügung stehen.

Was sagen Sie eigentlich Ihren Kindern, wenn Sie einmal gefragt werden, was Sie gegen diese Entwicklung getan haben? Sie können jedenfalls nicht sagen, Sie hätten es nicht gewusst.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dem Antrag der SPD stimmen wir zu, dem Antrag der FREIEN WÄHLER können wir leider nicht zustimmen, weil er völlig am Problem vorbeigeht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dritter Vizepräsident Peter Meyer: Danke schön, Frau Kollegin Steinberger.

Dritter Vizepräsident Peter Meyer: Einen Moment noch. Ich habe mit Blick auf die Uhr vorweggenommen, dass Sie einer Zwischenfrage nicht zustimmen werden. Entschuldigung, Frau Steinberger. Aber dafür gibt es eine Zwischenbemerkung von Frau Steinberger. - Bitte schön.

Rosi Steinberger (GRÜNE): Herr Kollege Beißwenger, Sie haben jetzt sehr viel gesprochen, aber zum Thema und zu unserem Antrag eigentlich sehr wenig gesagt. Sie haben die Stoffe angesprochen, nämlich die Cephalosporine der dritten Generation oder Fluorchinolone. Das sind die Stoffe, die tatsächlich auch in der Humanmedizin als Reserveantibiotika besonders geschützt sind. Sie haben die nationale Antibiotikastrategie und die bayerische Strategie angesprochen. Aber diese funktionieren offenbar nicht besonders; denn wie bewerten Sie die Tatsache, dass innerhalb der letzten zwei Jahre diese beiden Stoffe einmal um 25 % und das zweite Mal sogar um 60 % gestiegen sind? Wie kann man das bewerten? Heißt das, dass in den Ställen die Resistenzen schon so groß sind, dass man dort auf diese Stoffe zurückgreifen muss, oder ist es nicht vielmehr so, dass das von der Anwendung her für die Landwirte wesentlich praktischer ist, weil man viel geringere Mengen braucht und kürzere Wartezeiten hat? Bitte nehmen Sie eine Bewertung der Steigerung dieser beiden Stoffe im Hinblick auf die nationale und bayerische Antibiotikastrategie vor, die wahrscheinlich nicht so funktioniert, wie Sie sich das vorstellen.

(Beifall bei den GRÜNEN) 

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Anfragen und Anträge

02.02.2023 Antrag Haushaltsplan 2023; hier: Ultrafeinstaubmessungen für den Standort Flughafen München (Kap. 12 09 Tit. 812 04)

05.12.2022 Anfrage Spuren des PFOA-Ersatzstoffs HFPO-DA bei Trinkwasseruntersuchungen im Landkreis Altötting

23.11.2022 Antrag Woher stammen Mineralölrückstände in Milchprodukten?

10.11.2022 Antrag Flächendeckende Einführung der Biotonne in Bayern

16.08.2022 Anfrage Listerien Landkreis Passau

19.07.2022 Antrag Klare Mindestquote – endlich 50 Prozent Bio in staatlichen Kantinen festschreiben!

08.02.2022 Antrag Haushaltsplan 2022; hier: Förderprogramm Plastikvermeidung (Kap. 12 04 neuer Tit.)

08.02.2022 Antrag Haushaltsplan 2022; hier: Ultrafeinstaubmessungen am Standort Flughafen München (Kap. 12 09 Tit. 812 04)

03.02.2022 Antrag Haushaltsplan 2022; hier: Reparaturbonus zur Vermeidung von Elektroschrott und zur Unterstützung des Handwerks in Bayern (Kap 07 03 neuer Tit.)

31.01.2022 Anfrage  Plastikreduzierung

18.08.2021 Anfrage Kunststoff-Transportverpackungen

17.08.2021 Anfrage Mikrozensus

11.08.2021 Anfrage Biozide in Baumaterialien

23.03.2021 Anfrage Beschaffung medizinischer Masken durch die Staatsregierung

04.02.2021 Antrag Haushaltsplan 2021; hier: Förderung der Verbraucheraufklärung (Kap. 12 03 Tit. 686 01)

27.01.2021 Antrag Mehr Verbraucherschutz bei Nahrungsergänzungsmitteln

17.12.2020 Anfrage Sprengstoffsuchgeräte und Belüftung am Münchner Flughafen

09.12.2020 Anfrage Versteckter Alkohol in Lebensmitteln und Getränken

27.10.2020 Anfrage Plastikvermeidung

23.09.2020 Antrag Strategien gegen die Lebensmittelverschwendung in Bayern ergreifen

23.09.2020 Antrag Wirksames Lieferkettengesetz unterstützen, in Bayern mit gutem Beispiel vorangehen

28.05.2020 Antrag Historische Chance nutzen: Ultrafeinstaub-Messungen am Flughafen München schnellstmöglich beginnen!

04.05.2020 Anfrage Zuschüsse für Sachausgaben Pandemieforschung

03.05.2020 Anfrage Lebensmittelabfälle, Lebensmittelverluste und bayerische Initiativen gg. Lebensmittelverschwendung

12.02.2020 Afnrage Spraydosen als Verpackung für Lebensmittel

11.02.2020 Anfrage Aktueller Stand der Produktkennzeichnung mittels NutriScore

12.12.2019 Anfrage Vorgaben für Schießkinos

07.11.2019 Antrag Spielerschutz gewährleisten – Glücksspielregulierung neu aufstellen

14.10.2019 Anfrage Verbraucherinformationsgesetz

19.09.2019 Anfrage Sprengstoffsuchgeräte am Flughafen München

19.09.2019 Anfrage Sprengstoffsuchgeräte - Gutachten

19.09.2019 Anfrage Sprengstoffsuchgeräte - Sicherheitsdatenblätter

19.09.2019 Anfrage Sprengstoffsuchgeräte - Defekte und Fehlermeldungen

19.09.2019 Anfrage Sprengstoffsuchgeräte - Krankheitsfälle und Arbeitsunfälle

19.09.2019 Anfrage Sicherheitsgesellschaft München (SGM)

06.08.2019 Anfrage Nutzhanf in Bayern

29.07.2019 Anfrage Multiple Chemikaliensensitivität (MCS)

15.07.2019 Anfrage Standorte für Ultrafeinstaub-Messungen

05.06.2019 Anfrage Gesetzliche Regelungen gegen Lebensmittelverschwendung

22.05.2019 Anfrage Verbraucherinformationsgesetz

13.03.2019 Antrag Malachitgrün in Speisefischen, oberbayerischer Moosach und Isar – Warum wurde die Öffentlichkeit nicht informiert?

14.02.2019 Anfrage Rücknahme von pfandpflichtigen Getränkeverpackungen

06.02.2019 Anfrage Vorsorgevollmacht und Zugang zum Gericht

10.12.2018 Anfrage Geschützte Herkunftsbezeichnung für Portwein

22.02.2018 Antrag Untersuchungsprogramm zu Perfluoroctansäure (PFOA) in Lebensmitteln

07.09.2017 Anfrage Reserveantibiotikum Colistin

01.06.2017 Antrag Beweislastumkehr bei Umwelterkrankungen

08.02.2017 Antrag Forschungsprojekt PCB an Schulen und Kindertagesstätten auflegen

10.08.2016 Anfrage Umwelterkrankungen

09.08.2016 Anfrage PCB-Belastung an Schulen, Kindergärten und anderen öffentlichen Einrichtungen in Bayern

09.08.2016 Anfrage  Umwelterkrankungen

11.04.2016 Anfrage Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Sprengstoffsuchgeräte

11.11.2014 Dringlichkeitsantrag Verbot des Einsatzes von Reserveantibiotika in der Tiermast

30.01.2014 Antrag Verbot von Bisphenol A in Kinderspielzeug

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