Fachgespräch "Alternativen zu Tierversuchen": die Ergebnisse und unsere Forderungen

Die Zahl der Tierversuche steigt in den letzten Jahren kontinuierlich an. Jährlich werden in der EU ca. 11 Millionen Tierversuche durchgeführt, davon über 3 Millionen in Deutschland und über 300.000 in Bayern. Tiere werden hierfür mit Krankheiten infiziert, für Medikamententests verwendet und sterben oft während der Versuche oder werden anschließend getötet. Gerade der Raum München entwickelt sich derzeit mehr und mehr zu einem Zentrum der Tierversuche.

Wir Grüne im Bayerischen Landtag sind für ein sofortiges Verbot von Tierversuchen an Primaten und eine baldige Abschaffung aller Tierversuche. Tierversuche für Kosmetika sind erfreulicherweise bereits verboten, Tierversuche für Medikamente jedoch zum Teil noch vorgeschrieben. Umso wichtiger ist es für uns Grüne, dass die Forschung in Alternativen zu Tierversuchen, aber auch die Lehre und Ausbildung in Alternativmethoden stärker vorangetrieben und gefördert wird, um in naher Zukunft alle Tierversuche ersetzen zu können.
Am 17.10.2014 hat die tierschutzpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion, Rosi Steinberger, ein Fachgespräch zu diesem Thema durchgeführt, um uns Grüne und interessierte VerbandsvertreterInnen und BürgerInnen über den Stand der Dinge zu informieren.
In seinem Einführungsvortrag stellte Dr. Thorsten Ruppert vom Verband forschender Arzneimittelhersteller dar, in welchen Bereichen Tierversuche eingesetzt werden. Es handelt sich hierbei um die Bereiche Grundlagenforschung, angewandte Forschung (z.B. humanmedizinische Forschung) und Produktion (laufende Tests während der Produktion eines Arzneimittels oder Impfstoffes). Dr. Ruppert betonte, dass aus Sicht der Pharmaindustrie Tierversuche nach wie vor unverzichtbar seien, um z.B. die Zusammenhänge im Organismus zu verstehen. Gleichzeitig sei jedoch auch der Industrie aus ethischen und ökonomischen Gründen daran gelegen, Alternativmethoden zu erforschen und zu nutzen.

Roman Kolar, stellvertretender Leiter der Akademie für Tierschutz stellte dar, dass fast die Hälfte aller Tierversuche lediglich in der Grundlagenforschung eingesetzt und nur ein wesentlich geringerer Teil für gesetzlich vorgeschriebene Tests verwendet würde. Er kritisierte die viel zu geringe finanzielle Förderung von Alternativmethoden. So werden alleine für Tierversuchsneubauten in München 189 Millionen Euro staatliche Gelder investiert, in Alternativmethoden dagegen bundesweit gerade mal 5 Millionen pro Jahr.
Weiterhin wies Kolar auf das viel zu lange Anerkennungsverfahren von Alternativmethoden hin, das bis zu 23 Jahre dauern könne. Kolar forderte eine deutlich stärkere, zielorientierte und koordinierte Förderung von Alternativmethoden sowie die massive Intensivierung der Forschung und Lehre in diesem Bereich.

In Alternativmethoden investieren!

Prof. Dr. Horst Spielmann, Professor für Regulatorische Toxikologie an der FU Berlin und Landestierschutzbeauftragter des Landes Berlin, leitete etliche Untersuchungsprojekte und entwickelte dabei unter anderem molekularbiologische und computergestützte Methoden, mit deren Hilfe toxikologische Verträglichkeitsprüfungen an menschlichen Zellen und Geweben ohne Tierversuche möglich sind. Er ging in seinem Vortrag auf das „3R-Konzept“ ein (Refine, Reduce, Replace – Verbessern, Vermindern, Vermeiden), das mittlerweile in eine EU-Richtlinie Einzug gefunden hat. Anhand verschiedener Beispiele und Modelle zeigte er anschließend auf, dass es bereits einige Möglichkeiten gibt, Tierversuche zu ersetzen. So können schon heute menschliche Organe und sogar deren Zusammenwirken auf Bio-Chips nachgestellt werden. Dies sei sogar oft sinnvoller als Tierversuche, da Tierversuche nicht immer auf Menschen übertragbar seien. Prof. Spielmann appellierte ebenfalls für eine intensivere Forschung und Förderung bei Alternativmethoden.
Rosi Steinberger, tierschutzpolitische Sprecherin der Grünen Landtagsfraktion stellte klar, dass dem im Grundgesetz verankerten Tierschutz auch bei Tierversuchen Rechnung getragen werden muss. Dazu gehört, Tierversuche wo immer es geht zu vermeiden. Die Grünen freuten sich über die Übereinstimmungen in den Forderungen mit Roman Kolar und Prof. Horst Spielmann.

Rosi Steinberger betonte, dass wir Grünen uns weiterhin für eine richtlinienkonforme Umsetzung der EU-Vorgaben und ein Ende unnötiger und tierquälerischer Versuche einsetzen. Statt Steuergelder im zehnstelligen Bereich in Tierversuche zu stecken, müssen wir mehr in die Forschung an Alternativmethoden investieren. Dazu muss auch die Vergabepraxis für Fördermittel auf den Prüfstand.
Aktuell haben wir einen Änderungsantrag zum „Haushaltsplan 2015/16“ der Bayerischen Staatsregierung eingebracht, in dem wir 250.000 Euro zusätzliche Mittel für die Forschung nach Alternativmethoden zu Tierversuchen fordern. Leider ist davon auszugehen, dass die CSU-Landtagsmehrheit diesen Antrag wie schon ähnliche Grüne Anträge in den Jahren 2002 und 2012 ablehnt und weiter ohne jede Rücksicht auf Tierversuche setzt.

Wir Grünen zweifeln zudem in vielen Fällen an der Übertragbarkeit von Ergebnissen aus Tierversuchen auf den Menschen. Aspirin, Ibuprofen, Insulin u.a. wären nach Ergebnissen aus Tierversuchen nie auf den Markt gekommen, da diese Medikamente von Tieren nicht vertragen werden. Contergan war im Tierversuch dagegen unauffällig, führte bei schwangeren Frauen jedoch zu missgebildeten Kindern.
Nicht mehr nachvollziehbar sind für uns manche Tierversuche in der Grundlagenforschung, die nur der Neugierde von Wissenschaftlern dienen, für die Allgemeinheit aber völlig nutzlos sind.

Wir Grüne fordern die drastische Verkürzung des Prozedere bis zur amtlichen Anerkennung von tierversuchsfreien Methoden. Die Anwendung anerkannter und vergleichbarer tierversuchsfreier Methoden muss als Alternativmethode zum Tierversuch zwingend vorgeschrieben werden. In-vitro-Forschung muss zum Standard in deutschen Laboren werden.
Unser Ziel ist und bleibt der vollständige Verzicht auf Tierversuche.

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