Untersuchungsausschuss "Ei"

Rosi Steinberger, verbraucherschutzpolitische Sprecherin, vertritt die grüne Landtagsfraktion im Untersuchungsausschuss "Ei". Ihrer Ansicht nach hätte der Skandal, der mindestens ein Todesopfer forderte, vermieden werden können, wenn die Staatsregierung von Anfang an korrekt kontrolliert und gehandelt hätte.

„Der Salmonellenskandal bei Bayern-Ei offenbart das Versagen des bayerischen Kontrollsystems inklusive der zuständigen Minister, die viel zu wenig zum Schutz der bayerischen Verbraucherinnen und Verbraucher getan haben. Es hat den Anschein, als würde hier ein großes Unternehmen geschont – und das zulasten der Menschen. Es ist unverständlich, warum die Firma Bayern-Ei nicht wesentlich schneller als Ursache des Salmonellenausbruchs identifiziert wurde.“

Der Untersuchungsausschuss müsse zudem eine nachhaltige Wirkung entfalten, so Rosi Steinberger weiter. „Wir müssen nach strukturellen Fehlern im Kontrollsystem suchen. Kann es sein, dass man in Bayern Hinweise aus anderen Ländern ignoriert hat? Weshalb hat man aus früheren Lebensmittelskandalen offensichtlich nichts gelernt? Ein Skandal von dieser Dimension darf bei uns nie mehr passieren!“ Das Gremium hat noch vor der parlamentarischen Sommerpause 2017 seine Arbeit aufgenommen.

Zwischenbilanz: Überbesatz und schlechte Hygiene als Ursache des Salmonellen-Ausbruchs

Der Salmonellenausbruch hatte im Wesentlichen drei Ursachen:

  • Die Bedingungen in den Legehennen-Betrieben boten einen geeigneten Nährboden für die Vermehrung der Erreger.
  • Die notwendige Reinigung und Desinfektion wurde gar nicht oder nur schlampig durchgeführt.
  • Die Behörden haben nichts mitbekommen, weil sie unterbesetzt und überfordert waren, oder sie haben auf die Erkenntnisse nicht angemessen reagiert.

1. Der Nährboden war günstig

Die Ställe der Betriebe Bayern-Ei boten einen idealen Nährboden für die Vermehrung von Salmonellen:

  • Viele Tiere auf engem Raum, Betriebsgrößen von ca. 400.000 Tieren, die als epidemiologische Einheit gelten, also wenn ein Stall infiziert ist, sind alle infiziert.
  • Eine teilweise massive Überbelegung. In Ettling wurden im Mai 2015 50.000 Tiere zu viel festgestellt. Der Überbesatz war noch dazu nicht gleichmäßig verteilt, in manchen Käfigen saßen doppelt so viele Tiere wie zugelassen.
  • Massiver Befall mit der roten Vogelmilbe: diese Parasiten saugen Blut und schwächen die Tiere. Eine Kontrolleurin: „wenn man in den Stall geht und einem die Milben über die Brille laufen, weiß man, dass da ein massiver Befall vorhanden ist“.
  • Tote Tiere wurden nicht oder nur selten entfernt. Nach Tierschutzgesetz müssen tote Tiere jeden Tag entfernt werden. Sie stellen ein gefährliches Keimreservoir dar.

Haben die Behörden das gewusst? Die KVBs haben nur stichprobenhaft kontrolliert. Dennoch müssten Missstände aufgefallen sein. Nach den Einsätzen der Spezialeinheit Tierschutz am LGL (mehrmals seit 2010) wurde auch das Ministerium über die Missstände informiert.

Gegenmaßnahmen: die KVBs haben Anordnungen geschrieben, die vom Unternehmer nicht oder erst nach Monaten umgesetzt worden sind. Viele Missstände, wie die fehlende tägliche Inaugenscheinnahme, der Überbesatz oder der Milbenbefall wurden nie abgestellt.

Die Spezialeinheit Tierschutz hat Gutachten geschrieben und Empfehlungen abgegeben, aber nie erfahren, ob ihre Empfehlungen umgesetzt wurden. Die SE Tierschutz ist ohne Vollzugskompetenz nur ein zahnloser Tiger. Sie kam auf Anforderung der Regierung von Niederbayern, nie auf Anforderung der KVBs.

2. Geputzt wurde nur trocken

Legehennen-Betriebe mit Sortieranlage und Packstelle müssen regelmäßig gereinigt und desinfiziert werden. Darüber muss der Betreiber Aufzeichnungen führen, die von der KVB kontrolliert werden.

Die Ställe wurden nur beim Wechsel der Herden gereinigt, also einmal im Jahr. Diese Reinigung passierte fast immer trocken, d.h. man hat die Grobverschmutzungen mit Druckluft weggeblasen und danach ein Desinfektionsmittel versprüht. Diese Art der Reinigung war ineffektiv. Die Druckluft hat die Erreger noch besser im Stall verteilt und das Desinfektionsmittel war für diesen Zweck nicht geeignet. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Salmonellen das überlebt haben.

Wann wurde das festgestellt? Als ein Experte vom LGL im Jahr 2015 sich mal die Reinigungspläne angeschaut hat. Die KVB hatte davon keine Ahnung.

Es gibt eine Spezialeinheit Lebensmittelsicherheit am LGL. Die hätte hier unterstützend eingreifen können. Sie wurde aber von den KVBs nie angefordert.

Zahnloser Tiger Spezialeinheit: auch die SE Lebensmittelsicherheit ist ein zahnloser Tiger: sie hatte am Anfang (2006) zwar Vollzugskompetenzen, aber nachdem es zu Ärger mit den KVBs gekommen ist, die sich nicht gerne in ihre Aufgaben dreinreden lassen wollten, wurde der Vollzug nach Anordnung des Ministeriums (2009) wieder an die KVBs abgegeben.

3. Die Behörden waren blind und taub

Als im Februar 2014 in Ettling (Dingolfing) eine Eierprobe genommen wurde, dauerte es 6 Wochen, bis das Ergebnis übermittelt wurde. Begründung: es war ja nur eine Planprobe, die dauert immer etwas länger.

Nach der Übermittlung des positiven Ergebnisses wurde im April 2014 eine Kontrollprobe genommen. Diese wurde ans LGL geschickt mit dem Hinweis, diese werde sicher auch wieder positiv sein, denn die Packstelle wäre sehr verschmutzt gewesen. Deshalb habe man sofort eine gründliche Reinigung angeordnet.

Damit war aber vermeintlich die Gefahrenquelle beseitigt, weshalb diese – tatsächlich wieder positive Probe – wieder 6 Wochen gebraucht hat. Dass am Tag der Probennahme Hundertausende von verseuchten Eiern in den Handel gelangten, kümmerte weder die KVB noch das LGL.

Es herrschte die Ansicht vor, dass Salmonellen auf der Eierschale zwar ein unsicheres Lebensmittel erzeugten, man aber nichts zurückrufen müsste. (Diese Ansicht hat sich später geändert)

So gelangten im Jahr 2014 Millionen von salmonellenverseuchten Eiern in den Handel, ohne dass sich die Behörden groß darum geschert hätten. Es herrschte die Ansicht, dass die Verbraucher auf die Küchenhygiene achten sollten und die Behörden nicht einschreiten mussten.

So auch nach der ersten Schnellwarnung aus Frankreich im Juli 2014. Die Verdachtsprobe war zwar schnell analysiert, und wieder positiv. Aber nachdem der Betrieb schon bei der Ausstallung war und es zu der Zeit eh keine Konsumeier gab, wurde wieder nichts unternommen.

Dabei wäre beim Wechsel der Herden die Gelegenheit gewesen, eine Anordnung zu treffen, dass der Betrieb von einer Fachfirma gründlich gereinigt und der Erfolg mit Abklatschproben nachgewiesen werden muss. Aber nichts geschah.

4. Das Ausbruchsgeschehen

Nachdem die Schnellwarnungen aus Frankreich und Österreich eingetroffen waren, gab es endlich einen Krisenstab, der sich am 12.8.2014 an der Regierung von Niederbayern traf. (Mit dabei: KVBs, Regierung von Niederbayern, LGL mit der Spezialeinheit Lebensmittelsicherheit). Eine Probe vom 4.8. war an beiden Standorten positiv gewesen und man stand unter Zugzwang, da die internationalen Anfragen immer drängender wurden.

Die Erinnerung der Teilnehmer an diese Besprechung weicht teilweise deutlich voneinander ab. Aber alle waren sich einig, dass der Unternehmer P., der mit seinen Tierärzten an der Besprechung teilnahm, willig alle Auflagen akzeptiert hat.

Das ist schon komisch denn die Erfahrung lehrte, dass sich P. regelmäßig Anordnungen widersetzt hat, obwohl sie offensichtlich gut begründet waren. Vermutlich waren die Anordnungen also eher „unternehmerfreundlich“.

Was will der Unternehmer: dass sich die Rücknahmeanordnung auf so wenige Tage wie möglich beschränkt und das so schnell wie möglich wieder A-Eier verkauft werden dürfen.

Beide Wünsche wurden erfüllt. Die Rücknahme betraf nur eine einzige Tagescharge (den Tag der Probenahme). Und nach Reinigung und Desinfektion durch eine Spezialfirma durften wieder A-Eier geliefert werden.

Weitere Anordnungen unterblieben, obwohl manche Teilnehmer meinten, der Unternehmer hätte den Reinigungserfolg mit Abklatschproben nachweisen müssen, oder er hätte bis zum Nachweis einer amtlichen negativen Probe nur B-eier liefern dürfen, oder es wäre angeordnet worden, dass nach einem kurzen Abstand eine weitere Kontrollprobe genommen werden müsste.

Das alles steht aber nicht im Protokoll und der Unternehmer beruft sich später darauf, dass nur das gemacht werden muss, was im Protokoll steht. Die Regierung von Niederbayern bestätigt das auch gegenüber den KVBs, die z.T. härter durchgreifen wollen.

Wer ist eigentlich zuständig, dass die Anordnungen alle umgesetzt werden? Wie immer bleibt die vollständige Zuständigkeit bei der KVB. Wenn also in Dingolfing einen Tag nach der Reinigung (am 14.8.) eine Kontrollprobe gezogen wird, ist das Sache der KVB.

Und wenn in Straubing volle 13 Tage gewartet wird bis zur Kontrollprobe (26.8.), dann ist das auch Sache der KVB. Nur blöd, dass in dieser Zeit täglich hunderttausende von Eiern in den Handel gelangen, von denen man erst am 1.9. erfährt, dass sie leider immer noch salmonellenverseucht sind. Es hat aber auch keiner kontrolliert, ob die Reinigung und Desinfektion erfolgreich war – stand halt nicht im Protokoll.

Erst dann wurde auch der Betrieb in Straubing für Frischeier gesperrt – endlich!

Musste eigentlich die Bevölkerung gewarnt werden?

Das Ministerium spricht hier eine klare Sprache: Wenn ein gesundheitsschädliches Lebensmittel im Umlauf ist und den Endverbraucher erreicht haben kann, muss öffentlich gewarnt werden. Leider ist dieses UMS vom 11.8.2015, kommt also auch für die Hausspitze zu spät. Nicht, dass die Rechtslage inzwischen eine andere wäre. Aber die Rechtsauffassung hat sich – ausgelöst durch den Skandal und seine Folgen – durchaus geändert. Zuständig für einen bayernweiten Rückruf ist das Ministerium selbst.

Ob das gesundheitsschädliche Lebensmittel den Endverbraucher erreicht haben könnte, darüber hat man sich auch schon im August 2014 gestritten. Am LGL war man der Meinung, es müsste für eine Warnung der Öffentlichkeit ein nachgewiesener Krankheitsfall in Bayern vorhanden sein. Das gestaltet sich aber schwierig, denn nach Aussage eines Mitarbeiters am Gesundheitsamt ist es schon ein großer Glücksfall, wenn man bei Einzelfällen die Ursache für eine Salmonellose herausfindet. Außer, es erwischt eine große Gruppe, die alle das Gleiche gegessen haben.

Im Landratsamt Straubing war man auch damals schon der Meinung, dass man diese Frage bei einer so großen Menge Eier und einer so großen Zahl an Zwischenhändlern erst beantworten kann, wenn man jedes einzelne Ei gefunden hat. Und das kann dauern. Die Rücknahme einer einzelnen Charge an einen einzelnen Händler in Ungarn hat jedenfalls mindestens drei Wochen gedauert. Man sollte also nicht warten mit der Warnung der Öffentlichkeit, bis man alle Eier gefunden hat. Denn bis dahin sind sie sowieso schon alle verzehrt.

Fazit:

Es kam einiges zusammen, um diesen Lebensmittelskandal zu befördern:

  • Ein Unternehmer, der sich keinen Deut um Tierschutzauflagen geschert hat, der Hygieneanforderungen nur pro forma erfüllt hat und der sich Anordnungen widersetzt hat.
  • Behördenmitarbeiter, die überfordert und überlastet waren und rechtliche Grundlagen nicht kannten oder nicht durchgesetzt haben.
  • Aufsichtsbehörden, die keine Kompetenz hatten, einzuschreiten oder sich nicht in die Belange der KVBs einmischen wollten.
  • Ein Ministerium, das alle diese Umstände zwar kannte, aber nichts zu deren Verbesserung unternommen hat.
  • Ein Minister, der sich über alle diese Dinge -vermutlich- nicht genau genug informiert hat.

Hier als pdf zum Download: Die Zwischenbilanz Überbesatz und schlechte Hygiene als Ursache des Salmonellen-Ausbruchs

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