Fachgespräch "Nutztiertransporte - Status quo und Perspektiven"

Fachgespräch "Nutztiertransporte - Status quo und Perspektiven"

Der Transport landwirtschaftlicher Nutztiere in Länder außerhalb der EU wurde in den vergangenen Monaten stark diskutiert. Das Thema stellt Veterinärämter und Zuchtverbände vor Probleme, während Medienberichte über tierschutzwidrige Transporte und Schlachtbedingungen in den Zielländern zu einem starken Echo in der Zivilgesellschaft führen.

Aus diesem Grund veranstalteten wir Grünen im Bayerischen Landtag am 29.11.2019 ein Fachgespräch mit dem Titel „Nutztiertransporte – Status quo und Perspektiven“.

Zweck des Fachgesprächs war es, mit Expert*innen das Thema Tiertransporte in Drittstaaten aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten und Lösungen zu finden, wie die offensichtlichen Tierschutzverstöße vermieden werden können.

Teilnehmer*innen:

  • Prof. Jens Bülte, Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht der Uni Mannheim
  • Dr. Madeleine Martin, Landesbeauftragte für Tierschutz in Hessen
  • Dr. Georg Röhrmoser, Arbeitsgemeinschaft Süddeutscher Rinderzucht- und Besamungsorganisationen e.V.
  • Georg Hollfelder, Vorsitzender des Rinderzuchtverbands Oberfranken
  • Dr. Kai Braunmiller, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft für Fleischhygiene und Tierschutz in Bayern

 

Dr. Madeleine Martin, Tierschutzbeauftragte des Landes Hessens hat im vergangenen Jahr eine Reise entlang der Transportroute nach Kasachstan unternommen, um die vorgeschriebenen Abladestationen zu überprüfen. Frau Martin zeigte in einer erschütternden Präsentation, dass es diese Stationen tatsächlich häufig nicht gibt oder sie sind in einem so desolaten Zustand, dass z.B. eine Tränkung der Tiere im Winter bei Frost nicht möglich ist.

Fazit von Frau Martin: die von der EU vorgeschriebenen Mindeststandards werden auf dieser Transportroute nicht eingehalten. Aus diesem Grund dürften diese Transporte nicht weiter genehmigt werden. Darüber hinaus werden in diesen Ländern auch häufig tierschutzwidrige Schlachtungen (Schächtung) vorgenommen, die nicht mit dem europäischen Tierschutzrecht im Einklang stehen.

Nach dem Aufdecken dieser Missstände haben Amtsveterinäre zuerst aus Landshut, später auch aus anderen Landkreisen das Ausstellen so genannter Vorzeugnisse verweigert und damit den Transport der Zuchttiere verhindert. Darauf haben allerdings Zuchtverbände geklagt und vor Verwaltungsgerichten Recht bekommen.

Hier ihre Präsentation

 

Den rechtlichen Aspekt beleuchtete anschließend Prof. Jens Bülte von der Universität Mannheim. Seine Stellungnahme war ganz klar: eine Straftat ist nicht verhandelbar. Wer einen Transport zulässt, der nach allen Erkenntnissen tierschutzwidrig abläuft, der macht sich strafbar.

Dabei kann es auch keinen „vernünftigen Grund“ geben, der diese Straftat rechtfertigen könnte. Rein ökonomische Gründe sind in diesem Fall nicht stichhaltig. Ein Betrieb kann sich also nicht mit der Begründung aus der Verantwortung stehlen, dass der Fortbestand des Betriebes sonst gefährdet wäre.

Wer macht sich strafbar? Alle, die vorsätzlich eine Straftat ermöglicht habe. Ein Vorsatz ist auch dadurch erkennbar, dass man die Möglichkeit des tierschutzwidrigen Transports erkannt hat. Dabei macht sich auch derjenige strafbar, der in Deutschland einen Transport genehmigt hat, obwohl die Straftat im Ausland begangen wird.

Das Gerichtsurteil des Verwaltungsgerichts, aufgrund dessen der Transport genehmigt werden musste, hielt Prof. Bülte für sehr fragwürdig.Schließlich sei bei dem Vorlaufattest klar erkennbar gewesen, dass es sich um einen Transport in Drittstaaten gehandelt habe. Die Straftat des Tierschutzverstoßes sei hier höher zu werten als das Verwaltungsrecht des freien Warenverkehrs.

Schwierig wird der Fall dadurch, dass inzwischen Transorte nicht mehr aus Bayern in Drittsaaten erfolgen, sondern in andere Bundesländer. Von einigen dieser Bundesländer, z.B. Brandenburg, werden diese Transporte dann in der Regel ohne weiteres genehmigt. Sie dienen also nur als Zwischenstation. In diesen Bundesländern ist Veterinär- und Landwirtschaftsverwaltung häufig gekoppelt. Es entstehen als Interessenskonflikte.

Fehlerhaft an diesem System ist es, dass der Bund die Zuständigkeit für die Ausfuhrgenehmigungen den Bundesländern zugewiesen hat. Dadurch gibt es kein einheitliches Verwaltungshandeln. Und innerhalb des Bundeslandes entscheiden auch noch die einzelnen Kreisverwaltungsbehörden unterschiedlich.

Vortrag von Dr. Jens Bülte zum Download

 

Dr. Kai Braunmiller von der Landesarbeitsgemeinschaft für Fleischhygiene und Tierschutz in Bayern betonte, dass es für die EU ein leichtes wäre, die Tiertransporte rechtskonform zu organisieren. Er kritisierte, dass jede Kreisverwaltungsbehörde eigenmächtig handelt und forderte eine entsprechende Schulung für die Amtsveterinäre.

Was wäre also zu tun? Die Exporte von Tieren in Drittländer außerhalb der EU müssen tierschutzkonform abgewickelt werden. Dafür ist die EU-Kommission zuständig, die dieses Handeln von jedem einzelnen EU-Land einfordern muss, zur Not unter Zuhilfenahme von Vertragsverletzungsverfahren. (Ansatzpunkt: die EU-VO 1/2005)

So lange sie das nicht tut, müssen die Nationalstaaten selbst die Verantwortung für Exportgenehmigungen in Drittländer an sich ziehen und die Länder anweisen, das EU-Recht einzuhalten. Bereits geplant ist eine Datenbank, in der Informationen zu allen üblichen Exportrouten und zu Versorgungsstationen gespeichert werden sollen.

Die einzelnen Bundesländer wiederum sollen die Kreisverwaltungsbehörden anweisen, Exportzeugnisse nur unter Einhaltung der EU-Gesetzgebung auszustellen. So lange diese Transporte unter den geschilderten Umständen ablaufen, ist jedes Exportzeugnis rechtswidrig.

Auch wenn Verwaltungsgerichte diese Exportgenehmigungen weiterhin anordnen sollten, handelt es sich immer um einen Einzelfall. Schon der nächste Transport muss also wieder von einem Gericht genehmigt werden.

 

Und was sagen die Zuchtverbände?

Dr. Georg Röhrmoser, Geschäftsführer der ArGe Süddeutscher Rinderzucht- und Besamungsorganisationen e.V. und deren Vorsitzender Georg Hollfelder betonten, dass die meisten Exporte innerhalb Deutschlands oder der EU erfolgten. Der Export in Drittländer falle nicht so stark ins Gewicht, dass Betriebe bei einem Stopp der Exporte in wirtschaftliche Schwierigkeiten kämen.

Von dem Bericht der Tierärztin zeigten sich beide betroffen und überrascht. Sie hätten ihre Tiere an Transportunternehmen übergeben, die alle nötigen Papiere vorgewiesen hätten. Auch von den abnehmenden Betrieben hätten sie nur positive Rückmeldung erhalten.

Vortrag von Herrn Röhrmoser als Download

 

Georg Hollfelder meinte, man sei da in der Vergangenheit zu gutgläubig gewesen. In Zukunft würden die Zuchtverbände genauer hinschauen. Über einen eventuellen freiwilligen Exportstopp müsse innerhalb der Verbände noch gesprochen werden. Grundsätzlich kam auch zur Sprache, dass es wenig Sinn mache, wenn bayerische Hochleistungskühe in Regionen exportiert werden, wo die Bedingungen (klimatisch, ungenügende Futtergrundlage, wenig Niederschläge) so stark von den hier herrschenden Bedingungen abweichen. Sinnvoller wäre es, wenn nur Sperma oder Embyonen gehandelt würden und in die dortigen Herden eingekreuzt würden.

In der Regel werden trächtige Färsen exportiert, die in den Drittländern einmal abkalben und dann geschlachtet werden.

Vom Aufbau einer eigenen Milchproduktion und einem Herdenmanagement kann oft nicht die Rede sein. Umso unverständlicher ist es, diese Exportpraxis fortzusetzen.

 

Unsere Grüne Forderungen:

  • Ein sofortiger Stopp der Exporte von Zucht- und Schlachttieren in Länder, in denen europäische Tierschutzstandards weder auf dem Transport noch bei der Haltung oder Schlachtung eingehalten werden. (17 Risikostaaten)
  • Die EU muss auf die Mitgliedsstaaten einwirken, dass von dort keine Exportgenehmigungen mehr ausgesprochen werden.
  • Die Bundesregierung muss die Länder anweisen, keine Exportgenehmigungen mehr auszustellen, wenn feststeht, dass der Transport tierschutzwidrig ist.
  • Der Freistaat soll seine Kreisverwaltungsbehörden unterstützen, die keine Zeugnisse mehr ausstellen wollen und diese beraten.
  • Zu guter Letzt richten wir einen Appell an die Zuchtverbände, freiwillig auf den Export von Zuchttieren in die fraglichen Länder zu verzichten.

 



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Anfragen und Anträge

05.07.2023 Antrag Tierschutz durchsetzen – verbotene Tiertransporte aus Bayern in Drittstaaten sofort beenden

25.01.2023 Antrag Für mehr Tierwohl – Änderungen im Bau- und Genehmigungsrecht unterstützen

01.12.2022 Antrag Tierwohl als Chance – Bericht zu den Auswirkungen der Novelle der Industrieemissionsrichtlinie auf die bayerischen Tierhalter

23.08.2022 Anfrage Sektionen und Antibiotikaresistenzen bei bayerischen Kälbern

30.05.2022 Anfrage Beanstandungsquoten bei Tierschutzkontrollen

22.12.2021 Anfrage Kontrolle von Tierschutzverstößen im Allgäu

21.06.2022 Dringlichkeitsantrag Frühwarnsystem für den Tierschutz einführen – Tiergesundheitsdatenbank Bayern jetzt

04.02.2022 Antrag Haushaltsplan 2022; hier: Förderung bayerischer Rinderzuchtverbände (Kap. 08 03 Tit. 671 03)

27.01.2022 Antrag Schweine brauchen Stroh – Ende des Vollspaltenbodens in der Schweinemast bis 2030

25.11.2021 Antrag Antibiotikaverwendung und -reduktion in der bayerischen Tierhaltung – wo liegen die Probleme und welche Lösungen gibt es?

29.11.2021 Anfrage Stand der Ausarbeitung der Tierschutzleitlinie für die Mastrinderhaltung

29.09.2021 Antrag Auslauf für Schweine gewährleisten – keine zusätzliche Last für Schweinhalterinnen bzw. -halter und ihre Tiere im Fall eines Ausbruchs der Afrikanischen  Schweinepest

12.08.2021 Anfrage Kälberexporte in Bayern

24.06.2021 Antrag Zum Schutz von Mensch und Tier: Brandschutz in Tierhaltungen verbessern

24.06.2021 Antrag Raus aus der Anbindehaltung - kleine Betriebe erhalten und Tierwohl maximal fördern

20.05,2021 Antrag Keine staatliche Förderung für tierschutzwidrige Exportpraxis

03.02.2021 Antrag Haushaltsplan 2021; hier: Neue Stellen für die Veterinärbehörden (Kap. 03 09 Tit. 422 01)

02.12.2020 Antrag Schweine unter freiem Himmel – tierwohlgerechte Schweinehaltung auch in Zeiten von Afrikanischer Schweinepest sichern

02.12.2020 Antrag Bayerische tierschutzfachliche Leitlinien für die Rinder-, Puten- und Wassergeflügelhaltung erarbeiten

02.12.2020 Dringlichkeitsantrag Zusammen gegen den Schweinestau – Schlachthöfe und Schweinemästerinnen bzw. Schweinemäster zusammenbringen

30.11.2020 Anfrage Förderung landwirtschaftlicher Zuchtverbände

09.07.2020 Antrag Neuausrichtung konventionelle Schweinehaltung in Bayern I: Einrichtung einer zentralen Datenbank zur Erfassung von Schweineställen

09.07.2020 Antrag Neuausrichtung konventionelle Schweinehaltung in Bayern II: Schweineställe tiergerecht genehmigen und bauen

09.07.2020 Antrag Neuausrichtung konventionelle Schweinehaltung in Bayern III: Forschung zu alternativen Betäubungsverfahren im Schlachtprozess von Schweinen weiterführen und Umsetzung der Forschungsergebnisse in der Praxis unterstützen

05.05.2020 Anfrage Kontrollpraxis landwirtschaftlicher Betriebe zur Vorbeugung von Tierschutzverstößen

02.04.2020 Antrag Verbotene Tiertransporte in Drittstaaten sofort beenden

05.02.2020 Dringlichkeitsantrag Tierhaltung dem Gesetz anpassen und nicht umgekehrt: Muttersauen raus aus dem Kastenstand!

20.01.2020 Anfrage Tierhaltungsverbot für Milchviehbetrieb in Dietmannsried

11.12.2019 Dringlichkeitsantrag Tierschutzrecht durchsetzen, Nutztiertransporte in Drittstaaten sofort untersagen

17.07.2019 Anfrage Tierschutzskandal in Bad Grönenbach - Kontrollmaßnahmen in den letzten 5 bzw. 10 Jahren

16.07.2019 Anfrage Tierschutzskandal in Bad Grönenbach -Eigenkontrollmaßnahmen, Todesfälle und Geburten, Kontrollmaßnahmen im Juni und Juli 2010

16.07.2019 Anfrage Tierschutzskandal in Bad Grönenbach - Ausbildung, Betreuungssituation der Tiere und Maßnahmen zur Verbesserung

08.07.2019 Antrag Gesetzeskonforme Schweineställe endlich durchsetzen

14.05.2019 Anfrage Veterinärkontrollen

04.04.2019 Antrag Tiertransporte in EU-Drittstaaten

28.02.2019 Anfrage Bau einer Geflügelmastanlage in Massing

31.01.2019 Anfrage Tiertransporte in EU-Drittstaaten

16.04.2018 Anfrage Verendete Schweine im Landkreis Würzburg

06.07.2017 Antrag Länderübergreifende Schwerpunktkontrollen von Tiertransporten

09.03.2017 Antrag Ausbreitung der Vogelgrippe und Stallpflicht für Nutzgeflügel

08.12.2016 Antrag Aufklärung über Antibiotikaeinsatz in bayerischen Schweinehaltungen

26.01.2016 Anfrage Fallen für den Totfang, Schlagfallen 3

19.10.2015 Anfrage Genehmigung von Käfighaltung

17.07.2015 Antrag Keine neuen Legehennenkäfige mehr in Bayern

06.07.2015 Anfrage Genehmigung Legehennenkäfige

08.06.2015 Dringlichkeitsantrag Bundesratsinitiative des Landes Schleswig-Holstein zum Verbot von Pelztierfarmen unterstützen

20.04.2015 Anfrage Brandschutz in Tierhaltungsanlagen II

20.04.2015 Anfrage Brandschutz in Tierhaltungsanlagen I

07.01.2015 Anfrage Rinderhaltung in Bayern

11.11.2014 Dringlichkeitsantrag Verbot des Einsatzes von Reserveantibiotika in der Tiermast

27.07.2014 Anfrage Schweine- und Geflügelhaltung in Bayern

09.07.2014 Anfrage Kontrolle der Tierhaltungsanlagen durch Veterinärämter 2

09.07.2014 Anfrage Kontrolle der Tierhaltungsanlagen durch Veterinärämter 1

11.06.2014 Antrag Gesetzliche Pelzkennzeichnung einführen

 

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